Prozess ist wichtiger als Ergebnis

Wer kennt es nicht? Es ist wieder PI Tag(e) Alle fürchten sich vor diesem Ereignis. Wir planen unser Versagen, wird eh nicht so kommen wie wir uns das vornehmen. Der PO hat Herzrasen, die Scrum Masterin macht extra Yogastunden um sich auf das Planning vorzubereiten.

Der Tag geht vorbei, Wir haben das nächste Product Increment geplant. Lass uns den ersten Sprint starten. Die Scrum Masterin möchte noch eine kleine Retro über den Planungsprozess machen. Ach was, dafür haben wir jetzt keine Zeit mehr, wir müssen am Ergebnis, an dem Produkt arbeiten, komm später wieder.

Und genau hier startet das wiederkehrende Drama.
Denn; Prozess ist wichtiger als Ergebnis!

Der Prozess sollte als wichtiger angesehen werden als das Ergebnis, weil der Prozess die Qualität des Ergebnisses bestimmt. Hier sind einige Gründe dafür:

Lernen: Wenn wir uns auf den Prozess konzentrieren, sind wir in der Lage, aus unseren Erfahrungen zu lernen und zu wachsen. Der Prozess ermöglicht es uns, neue Fähigkeiten und Kenntnisse zu entwickeln und unseren Ansatz auf der Grundlage dessen, was funktioniert und was nicht, zu verfeinern. Das Gelernte kann auf künftige Unternehmungen übertragen werden, was langfristig zu besseren Ergebnissen führt.

Kontrolle: Wir haben mehr Kontrolle über den Prozess als über das Ergebnis. Es gibt zwar viele Faktoren, die das Ergebnis beeinflussen können, aber wir haben viel mehr Einfluss darauf, wie wir den Prozess angehen. Wenn wir uns auf den Prozess konzentrieren, können wir die Verantwortung für unser Handeln übernehmen und bei Bedarf Anpassungen vornehmen.

Erfüllung: Die Konzentration auf den Prozess kann zu einem größeren Gefühl der Zufriedenheit und Erfüllung führen. Wenn wir in der Lage sind, uns voll auf den Prozess einzulassen und unser Bestes zu geben, können wir unabhängig vom Ergebnis stolz auf unsere Arbeit sein. Dies kann auch zu einer erhöhten Motivation und dem Wunsch führen, sich weiter zu verbessern.

Das bedeutet natürlich nicht, dass das Ergebnis völlig irrelevant ist. Es ist wichtig, Ziele zu haben und darauf hinzuarbeiten, sie zu erreichen. Wenn wir jedoch mehr Wert auf den Prozess legen, können wir unsere Chancen erhöhen, diese Ziele zu erreichen und gleichzeitig persönliches Wachstum und Zufriedenheit auf dem Weg dorthin zu erfahren.

Die Reise in neue Gruppen

Fast alle Formen institutionalisieren Lernens in meinem Leben finden in Gruppen statt. Dies begann schon früh mit dem Eintritt in den Kindergarten, später dann in der Schule und heute im Berufsalltag. Die Prägung unseres Verhaltens in Gruppen findet allerdings bereits im Familiensystem, der Familiengruppe, statt. Ich habe in Gruppen beispielsweise gelernt, wie ich argumentiere, mich durchsetze und wann ich mich zurücknehme.

Ich – das Individuum in der Gruppe

Oft war das Zusammenkommen in Gruppen mit dem Erlernen von Lerninhalten verbunden. Die Gruppe hatte ein konkretes Ziel, welches bearbeitet werden musste. Ich als Individuum habe mich zur Unterstützung der Ziele in meinem Verhalten an den Normen der Gruppe orientiert und mich entsprechend versucht zu verhalten. Selbstverständlich kam es in Gruppen auch immer wieder zu Reibungen, diesen wurde von der Gruppe allerdings teilweise nicht nachgegangen, da das Ziel im Fokus stand. Ich möchte nicht behaupten, dass ich in diesen Gruppen immer angepasst war oder den Bedürfnissen der einzelnen Individuen Raum gelassen habe. Ich denke, das kennt jeder, dass man manchmal auch etwas ungehobelt unterwegs ist. Natürlich alles zu Gunsten des Ziels. Doch ist es tatsächlich zu Gunsten des Ziels?

Die Reise in eine neue Gruppe

Letzte Woche durfte ich in nach Deutschland reisen um eine persönliche Lernerfahrung mit Gruppen zu machen. Bereits letztes Jahr habe ich mich für ein Sensivity Training, ein gruppendynamisches Training, angemeldet. In meinem Beitrag „Was hat Gruppendynamik mit Kanban zutun?“ schildere ich meine Eindrücke des ersten Trainings, welches nun schon einige Jahre zurück liegt. Aus diesem ersten Training habe ich viele Erkenntnisse mitgenommen und war nun bereit diese erneut zu reflektieren und meinen persönlichen Lernpfad zu beleuchten.

Theorie und Praxis

In der Theorie kann man nachlesen, wie ein Sensivity Training abläuft und wie die Erweiterung sozialer Kompetenz durch verhaltensorientierte Trainings funktionieren. Doch selbst mit dem Wissen um die Struktur ist jede Gruppe anders und unterschiedliche persönliche Verhaltensmuster kommen an den Tag. Grund dafür ist, dass die eigene Person, das eigene Verhalten und die Wirkung auf die anderen Teilnehmenden im Vordergrund stehen und ganz in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt werden. Das kognitive Wissen über mein soziales Verhalten alleine führt nicht unbedingt Veränderungen herbei und so ist das soziale Erleben, Erfahren und Erproben wichtig.

Die Gruppe und ich

Ich bin unendlich dankbar für diese erneute Erfahrung in meiner Trainingsgruppe, im Plenum und der Unterstützergruppe. Hier ein grosses Dankeschön an alle, welche mit mir die Woche erlebt haben. Die Gruppe gab mir die Möglichkeit neue Wege zu gehen und neues Verhalten auszuprobieren und mich meinen herkömmlichen Mustern zu stellen. Eine Gruppe Menschen, welche sich teilweise noch nie zuvor gesehen haben, bildet den Resonanzraum. Diese Menschen haben mir mein eigenes Verhalten gespiegelt.

Geschenk meiner Gruppe an mich

Die Gruppe gab mir die Möglichkeit meine Selbst- und Fremdwahrnehmung zu verbessern, emotionale Stabilität und Belastbarkeit weiter zu entwickeln, spontan zu sein, eine adäquate Ausdrucksweise zu schulen und mich in verschiedenen Rollen zu bewegen. Ich habe die Möglichkeit erhalten mich auszuprobieren und in einem ungefährlichen Rahmen, Verhaltensänderungen und ihre Wirkung zu erfahren.

und jetzt?

Nach einer Woche führt mich mein Weg zurück in die Schweiz. Ich bin sehr dankbar dafür diese Menschen kennengelernt zu haben, auch wenn mich der Eine oder Andere ganz schön herausgefordert hat. Diese intensive Woche hat mir den Mut gegeben mich in Gruppen auszuprobieren und mich bewusster einzubringen.

Wie beim ersten Training hat sich mein gruppendynamischer Blick wieder geschärft. Zur Entlastung meines Umfeldes waren die Auswirkungen nicht mehr so umfassend und anstrengend, wie nach meinem ersten Training. So hat mein privates und berufliches Umfeld keine schonungslose Überdosis an gruppendynamischer Analyse erfahren. Ich bin jetzt viel mehr bei mir, im Hier und Jetzt. Das hat Auswirkungen auf das Umfeld und die Gruppen, in welchen ich mich bewege.

Kanban mit Kinderaugen betrachtet und Veränderungen des gruppendynamischen Raums

Ursprünglich wurde Kanban in Japan von Taiichi Ohno, dem Erfinder des Toyota-Produktionssystems, als Methode zur Steuerung der Produktionsprozesse nach dem „Pull-Prinzip“ entwickelt. Dass Kanban als agile Methode in so manchen Organisationen eingesetzt wird, ist nicht weiter verwunderlich.

Was hat Kanban allerdings im Familiensystem zu suchen? Es finden ja kein Produktionsprozess statt… Ziel der Methode Kanban ist es, die beteiligten Menschen zur Zusammenarbeit bei der Verbesserung ihres (Arbeits-)Systems anzuregen. Weshalb sollte das nicht auch im Familiensystem möglich sein?

Die Entdeckung von Kanban durch die Kinder

Meine Kinder haben einige Zeit neugierig beobachtet, wie Mama im Büro Zettelchen herumschiebt. Ich war der Überzeugung, dass ihr Interesse mit der Zeit nachlassen werde. Je mehr Form mein Kanban-Board annahm, desto interessanter wurde es. Plötzlich waren da nicht nur Zettelchen, sondern auch eine Begrenzung. Das war um Meilen cooler als ihre Ämtli-Liste. Es war gemein, dass ich mir aussuchen konnte, wann ich was machen wollte und sie ihre Liste befolgen mussten. Zudem durfte ich entscheiden, wann ich mir Höhlen-Zeit (Slack-Time) gegönnt habe. Bei ihnen war das Coole nicht auf der Liste. Sie fanden das Ganze ziemlich ungerecht. Schnell war klar, sie wollten auch Zettelchen rumschieben, aber nur wenn es auch klare Regeln gab und natürlich auch die coolen Sachen ihren Platz hatten. Das war die Geburtsstunde eines weiteren Kanban-boards in der Familie.

Familien-Flight Level

Natürlich gibt es Familien, bei welchen die Kanban-Initiativen Guerillia-Charakter haben und sich diese daher auf Flight Level 1 befinden. Diese haben unregulierten Input und Task-Fokus. In unserem Familiensystem zählen wir uns lieber zu den Spice Girls. Wir haben einen koordinierten Input und einen etablierten Arbeitsfluss. Meine Mädchen haben teilweise die Tendenz wie kleine Guerillia-Kämpferinnen vor dem Kanban-Board zu stehen und zu wüten. Da ist es von Vorteil, dass Mama das Nachschub-Meeting koordiniert und die gruppendynamischen Prozesse anleitet. So werden meinen Kämpferinnen wieder süsse Spice Girls. Die Arbeit auf Flight Level 2 kann weiter fliessen.

Starte da, wo du bist

Da wir mit dem starten konnten, was wir gerade machen, war es sehr einfach mit Kanban zu beginnen. Die bisher von der Chef-Etage vorgegebene nervenaufreibende Ämtli-Liste wurden als erstes abgeschafft. Das führte zu grossem Jubel bei der Belegschaft des Familiensystems.

Schritt für Schritt haben wir uns an evolutionäre Verbesserungen gemacht. Wir haben uns dafür entschieden die in der Woche anstehende Arbeit bei Options einzutragen und in der „daily“ zu entscheiden, was wir für den nächsten Tag nach dem „Pull-Prinzip“ nachziehen. WIP-Limits und Avatare durften natürlich auch nicht fehlen. Für das Design der Avatare wird es wahrscheinlich noch einen separaten Zettel auf dem Kanban-board geben. Die bunten Punkte fanden sie nur bedingt toll.

Der erste „Pull“

Man könnte annehmen, dass das erste Mal „Pull“ eine kurze Angelegenheit gewesen war. Der erste Wurf war schnell getan und die Kinder haben „Plan“ gefüllt. Natürlich mit ganz vielen tollen Dingen, welche so gar nicht den Vorstellungen von Mama entsprochen haben. Es forderte von Mama sehr viel Zurückhaltung um nicht zu intervenieren. Mit einem zufriedenen Blick betrachteten die Kinder das Board, studierten nochmals die Optionen und genau zu dem Zeitpunkt kam die Veränderung. Sie begannen fast 20 Minuten miteinander zu diskutieren, ob ihre Zettel im „Plan“ wirklich eine gute Wahl waren. Etwas „Slack-Time“ sollte sein, doch auch die unangenehmen Aufgaben mussten ihren Platz finden. Die Zurückhaltung von Mama hat sich ausbezahlt und die Erleichterung insgeheim gross. Die Absicht war schliesslich keine versteckte „ToDo“-Liste.

Unser erstes Familien-Kanban-board – „in progess“

Leadership im Familiensystem

Meine Neugierde war sehr gross zu sehen, wie die Kinder Kanban betrachten und mit der Methode umgehen würden. Ansichten, Gedanken, Verbesserungsvorschläge und ihre Sicht auf die Methode standen im Zentrum. Leadership auf allen Ebenen wurde gelebt. Doch die Methode brachte nicht nur strukturelle Veränderungen mit sich. Das Familiensystem veränderte sich auf der gruppendynamischen Ebene. Schnell habe ich eine Entlastung auf Beziehungsebene zwischen den Kindern und mir festgestellt, was nicht die einzige Veränderung war.

Stärkung der Individuen

Die Kinder haben zunehmend wahrgenommen und gelernt, ihre Unterschiedlichkeit weitgehend zu akzeptieren und soweit dies möglich ist, für den Arbeitsprozess zu nutzen. Schon nur die Tatsache, dass sie in unterschiedlichen Klassen sind, hat strukturelle Unterschiede gebracht. Die persönlichen Unterschiede kamen allerdings immer stärker zum Tragen. Persönliche Wünsche, Interessen, Hoffnungen, Möglichkeiten, Stärken und Schwächen können eingebracht werden und fanden täglich Berücksichtigung. Bei der „Daily“ haben wir besprochen, was getan werden muss und wer was übernimmt. Die Individualität wurde zunehmend als Ressource wahrgenommen.

Das Leben ist kein Wettkampf

Seit meine Kinder klein sind, habe ich immer wieder versucht ihnen klar zu machen, dass das Leben kein Wettkampf ist. Dass wir uns gegenseitig unterstützen und jeder seinen Lebensweg in seinem Tempo zurücklegt. Um ehrlich zu sein, ist mir das nur bedingt gelungen. Ich bin nicht gegen eine kompetitive Haltung, dies allerdings zum richtigen Zeitpunkt und in der richtigen Situation.

Die Methode Kanban hat uns einen neuen Zugang ermöglicht. Es ist nicht wichtig, wer wie viele Zettel erledigt hat. Im Zentrum steht vielmehr, was wir alles gemeinsam schaffen können um „Slack-Time“ geniessen können.

Der Gruppendynamische Raum

Die interpersonellen Bedürfnisse des gruppendynamischen Raumes sind Zugehörigkeit, Macht und Intimität.

Das Bedürfnis im Familiensystem eng miteinander verbunden zu sein und dennoch die eigene Individualität auszuleben wurde zunehmend möglich. Es ist klar ersichtlich, wann der Individualität Raum gegeben wird. Das stärkt das Familiensystem. Die Familienmitglieder haben einen festen Platz in der Gruppe und nehmen den eigenen Wert innerhalb der Gruppe bewusst wahr.

Als Mutter bin ich Teil des Familiensystems. Die Rolle der Mutter ist gesellschaftlich an Erwartungen geknüpft, was das Verhalten beeinflusst. Macht im Sinn von Einfluss oder Steuerung ist im informellen gesellschaftlichen Raum festgelegt. Kinder bemächtigen ihre Eltern und diese Prägung vermittelt ihnen die Gesellschaft. Sich im gruppendynamischen Raum zu bewegen heisst nicht die Verantwortung als Mutter abzugeben. Es heisst für mich viel mehr mir meiner Verantwortung für meine Kinder bewusst zu sein und meine Rolle wahrzunehmen. Die Individuen setze ich wiederholt individuell zu den Bedingungen der Familie in Beziehung. Ich versuche meinen Kindern gerecht zu werden. Ich möchte mich auf sie verlassen können, mich von ihnen unterstützen und ihrer Sicht auf die Welt belehren lassen.

Intimität ist gerade im Familiensystem zu beachten. Annäherung, Wärme und Liebe haben hier einen besonderen Stellenwert. Intimität bedeutet liebenswert zu sein und das Gefühl als wundervoll betrachtet zu werden. Bestandteil der Familie zu sein, vermittelt den Kindern Geborgenheit. Die Familie entwickelt sich durch die Individuen und umgekehrt. Die Pole von Individuum und Gruppe brauchen eine Balance. Dies ermöglicht eine tragfähige Übereinstimmung.

Kanban ist kein Heilmittel

Die Methode Kanban ist für mich die Möglichkeit uns im Familiensystem auf eine neue Art und Weise zu begegnen, was unser Mindset verändert hat. Agile Methoden haben keinen Zugriff auf den gruppendynamischen Raum, denn die Akteure müssen Willens sein diesen zu klären. Der gruppendynamische Raum wird von den Menschen, welche mit Kanban arbeiten, gestaltet und gelebt. Der Schritt auf die Metaebene ist wiederholt notwendig. Wir haben uns im Familiensystem immer wieder auf diese „Insel“ zurückgezogen und uns gefragt, was gerade in der Familie geschieht und den sozialen Tausch, die „Tauschbörse“, thematisiert.

Eines durfte ich bei der Anwendung der Methode Kanban im Familiensystem nicht vergessen. Die Akteure sind Kinder, welche alles von kleinen Guerilla-Kämpferinnen bis süsse Spice Girls sein können und das ist auch gut so.

Gruppendynamik, der Schlüssel zum Erfolg!

Erfolgreiche Arbeitssysteme waren für mich immer magische Konstrukte. Mit Freude richtete ich den Blick darauf und erfreute mich daran, wie wundervoll alles klappt. Von Aussen betrachtet wirken diese Arbeitssysteme sehr harmonisch, motiviert und lösen vielleicht beim einen oder anderen Betrachter auch einen kleinen Hauch Eifersucht aus. Wie kommt es, dass die einen Teams so erfolgreich sind und die anderen nicht? Wie ist es möglich, dass die Arbeit im System fliesst und bewältigbar ist? Woher kommt die hohe Zufriedenheit bei den Teams? Heute weiss ich, die Gruppendynamik ist der Schlüssel zum Erfolg!

Die Methode soll Agilität in Teams herstellen

Agilität wird heute gross geschrieben. Alle wollen oder müssen agil arbeiten. Der Schritt mit einer agilen Methode zu arbeiten ist visuell wahrnehmbar. Agilität ist durch eine Methode sichtbar. Teams und/oder Vorgesetzte können auf diese Art und Weise aufzeigen, dass sie mit der Zeit gehen.

Eine agile Methode anzuwenden hat allerdings noch nichts mit Agilität zu tun. Die Frage ist wie die Methode angewendet wird. Der Begriff Kanban-board findet schnell Verwendung. Allerdings beinhaltet ein Kanban-board weit mehr als Zettelchen auf eine Wand kleben und die Definition von Spalten und Zeilen. Die Anwender entscheiden, ob ein Kanban-board zur ToDo-Liste verkümmert und Menschen organisiert an Stelle von Arbeit.

Geheimzutat Gruppendynamik

Gruppendynamik ist eine unsichtbare Zutat zum Erfolg. William Schultz hält 1958 drei Grundbedürfnisse des Menschen fest: Inclusion (Zugehörigkeit), Control (Macht) und Affection (Intimität). Diese drei Grundbedürfnissen kommen in jeder Gruppe zum Tragen. Es reicht beispielsweise nicht aus Strategien, Strukturen, Abläufe, Prozesse und Funktionen zu definieren.

Grundbedürfnis Inclusion

Ob wir es zugeben möchten oder nicht, jeder von uns möchte von Anderen als Mitglied einer Gemeinschaft akzeptiert werden. Wir wollen unseren Platz im System. Wir wollen dazugehören, denn das vermittelt uns Sicherheit. Mit der Akzeptanz der Gemeinschaft richten wir unseren Blick auf eben diese und interessieren uns für die anderen.

Grundbedürfnis Control

Macht ist hier nicht negativ konnotiert. Sie gibt vielmehr den Wunsch nach Selbstwirksamkeit wieder. Selber wirksam sein und erfahren, was dies in der Gemeinschaft auslöst. Die Erfahrung machen, wie viel Einfluss man in Situationen haben kann oder wie es ist, die Ohnmacht zu spüren, nicht gehört zu werden. Macht ist etwas was man nicht nur nimmt, sondern gleichermassen bekommt.

Grundbedürfnis Affection

Nebst der Tatsache, dass wir akzeptiert werden und Selbstwirksam unterwegs sein wollen, hegen wir die Sehnsucht nach Intimität. Die Nähe anderer spüren, Zuneigung zulassen und zeigen.

Gruppendynamischer Raum

Die Bearbeitung der drei Grundbedürfnissen hat zur Folge, dass Gruppen arbeitsfähig werden. Der gruppendynamische Raum ist omnipräsent. Die Menschen müssen diesen allerdings erst entdecken. Sich auf das Hier und Jetzt einlassen. Sich der eigenen Wahrnehmung klar werden und diese in Worte fassen können. Den Mut haben die Wahrnehmung der Anderen abzuholen ermöglicht den Abgleich der Selbst- und Fremdwahrnehmung. Da Wahrnehmungen perspektivisch sind, sagt ein Feedback nicht nur etwas über den Empfänger, sondern auch etwas über den Sender aus.

Feedbackregeln

Es ist hilfreich, wenn man sich auf der Entdeckungstour durch den gruppendynamischen Raum Feedbackregeln zu nutzen macht. Diese helfen Irritationen einzudämmen. Ein Feedback sollte beschreibend, konkret und angemessen sein. Die Einbettung in einen Kontext kombiniert mit klaren und genauen Formulierungen helfen. Dem Empfänger ermöglicht es die Nachprüfbarkeit.

Ist Gruppendynamik alltagstauglich?

Nicht vergessen, Gruppendynamik ist in der Familie, in der Freizeit oder bei der Arbeit omnipräsent. Gelingt es einer Gruppe Klarheit in die drei Grundbedürfnisse zu bringen, wird das System arbeitsfähig. Die Arbeit und die Situation der Menschen in der Gruppe werden besprechbar. Die soziale Kompetenz ist aus meiner Sicht für die erfolgreiche Arbeit in und mit Gruppen zentral. Der Weg zum Erfolg ist somit mit ganz viel Gruppendynamik gepflastert.

Was hat Gruppendynamik mit Kanban zutun?

Meine ersten gruppendynamischen Kinderschuhe habe ich unterdessen eingetauscht. Ein Paar etwas grössere Schühchen darf ich tragen.

Ich kann mich noch gut an mein erstes gruppendynamisches Training erinnern. In einer herrlichen Landschaft mitten in der schweizer Bergwelt durfte ich mich ganz mit mir auseinandersetzen. Als ich nach fünf Tagen den malerischen Ort wieder verlassen habe, war mein Gepäck um einiges reicher. «In Beziehung gehen», «das Hier und Jetzt», «die Metha-Ebene» und ein kleines Muster Duschgel haben ich nebst vielen Erfahrungen zusätzlich in meinen Koffer gepackt.

Das mag vielleicht sehr romantisch und tiefenentspannt klingen, doch der Schein trügt. Sich fünf Tage mit sich selber, einer Gruppe und dem „Hier und Jetzt“ auseinander zu setzen ist harte Arbeit. Personen lösen etwas bei einem selbst aus und man löst auch etwas bei anderen aus. Das kann im Positiven wie auch im Negativen der Fall sein. Eine Reise zu sich selbst und mit sich selbst, welche sich wirklich lohnt.

Es ist nicht so leicht, wie es aussieht.

Zuhause angekommen habe ich meinen Koffer ausgepackt und alles sorgsam in meinen Alltagsrucksack verstaut. Zugegeben, das wohlriechende Duschgel hat es nicht dahin geschafft.

Dieses erste Training hat mich verändert, meinen Blick geschärft und gleichzeitig geöffnet. Im kommenden Jahr habe ich mich immer wieder dabei ertappt auf die «Metha-Ebene» auszuweichen. Mir wurde bewusst, dass ich das schon immer irgendwie getan habe und es nicht bemerkte. Was zu Beginn ein wahlloser Wechsel zwischen „Metha-Ebene“ und „in Beziehung gehen“ war, habe ich mit der Zeit bedachter gewählt. Das tönt jetzt ebenfalls einfach, doch das ist hier auch nicht der Fall. Sich im «Hier und Jetzt» zu befinden, sich wahrzunehmen, an zu nehmen und dann bewusst den nächsten Schritt zu tun ist definitiv schwieriger als Radfahren. Radfahren lernt man und kann es irgendwann. Gruppendynamik ist ein lebenslanges Lernen.

Mit meinem neuen gruppendynamischen Blick habe ich mich selber wieder auf die Welt losgelassen. Es ist wirklich leicht zu erraten, was darauf geschehen ist. Mein neuer Blick auf Gruppen konnte ich nicht mehr ausschalten. Die gruppendynamischen Themen sprangen mir förmlich entgegen. Nachdem mein privates und berufliches Umfeld eine schonungslose Überdosis an gruppendynamischer Analyse über sich ergehen liess, habe ich gelernt mit meiner neuen Brille besser umzugehen.

Kanban: mehr Gruppendynamik drin als drauf steht

Nebst der Gruppendynamik habe ich mich ebenfalls mit Kanban auseinander gesetzt. Kanban schien aus der Ferne betrachtet ausschliesslich analytisch und klar strukturiert zu sein. Schon bald stellte ich fest, dass da mehr Gruppendynamik drin steckt als drauf steht. Es reicht beispielsweise nicht «Swimlanes», «WIP», «Definition of Done» fest zu legen. Die Menschen in der Wissensarbeit müssen miteinander ins Gespräch kommen, sich über Arbeit austauschen, am Board arbeitsfähig werden und miteinander in Beziehung gehen. Es geht ja nicht darum den Menschen zu organisieren, es geht um die Strukturierung von Arbeit.

Parellelen zwischen Gruppendynamik und Kanban

Will man die „Kraft der Methode“ Kanban nutzen, dann bedingt das ein Commitment, ein sich auf die Methode einlassen. In der Gruppendynamik nutzt man die „Kraft der Gruppe“. Auch hier ist das Commitment sich auf die Gruppe einzulassen und sich zu engagieren unerlässlich.

Das in Kanban verwendete Pull- oder Hol-Prinzip kommt in der Gruppendynamik ebenfalls zum Zug. Es wird sichtbar, indem man sich zeigt, ein persönliches Wagnis in der Gruppe eingeht und das Angebot der Beziehung macht.

Die 4 Kanban-Prinzipien in der Gruppendynamik

Prinzip 1: Beginne mit dem, was du tust

Vor der Gestaltung eines ersten Kanban-boards richtet man den Blickwinkel auf das, was man gerade tut. Es braucht keine umfassenden Veränderungen oder Konfigurationen. Ich schildere in meinem Blog-Beitrag „Don’t fall in love with your first Kanban-board!“ den Start mit einem Kanban-board in der Wissensarbeit. Es wird deutlich, wie unkompliziert dieses Startmoment sein kann.

In der Gruppendynamik richtet sich der Blick auf das „Hier und Jetzt“ und das was jede Person in diesem Moment mitbringt. Hier ist nicht das Duschgel gemeint, welches mich begleitet hat, sondern viel mehr die Aspekte, welche einem selber beschäftigen. Diese Aspekte können mit mir selber zu tun haben, mit der Gruppe, meinem Umfeld oder dem zu bearbeitenden Thema.

Prinzip 2: Inkrementelle, evolutionäre Veränderungen verfolgen

Die Kanban-Methode beabsichtigt mit einem minimalen Widerstand kontinuierliche, inkrementelle und evolutionäre Veränderungen zu erzielen. Fortschritt soll möglich sein. Ein umfassender Change wird vermieden, denn dieser könnte Angst oder Unsicherheit mit sich bringen. Widerstand könnte die Folge sein.

In der Gruppendynamik sind Angst und Unsicherheit schlechte Berater von Gruppen, welche arbeitsfähig werden wollen. Durch das Erkennen von Beziehungsmustern und Dynamiken entsteht Klarheit. Das Zulassen von Ambivalenz ermöglicht Klärung und Veränderung.

Prinzip 3: Aktuelle Prozesse, Rollen & Verantwortlichkeiten berücksichtigen

Kanban berücksichtigt vorhandene Prozesse, Rollen, Verantwortlichkeiten und Titel. Eine Beibehaltung ist möglich. Veränderung wird weder vorgeschrieben noch verboten.

Das Teamdynamik-Modell nach Bruce Tuckman (1965) besagt, dass jede Gruppe von der Entstehung bis zur Auflösung bestimmte Phasen durchläuft. Die Phasen Formung, Storming, Norming und Performing stehen für die gruppeninternen Prozesse. Diese Phasen sind ein Zyklus, welche die Gruppe immer wieder durchläuft. Von diesen Phasen sind u.A. Rollen, Verantwortlichkeiten und Prozesse betroffen. Die Gruppendynamik bietet hier die Chance handlungsfähig zu bleiben, auch wenn scheinbar nichts mehr geht. Das Bewusstsein dieser Prozesse kann bei der Arbeit mit Kanban unterstützend wirken.

Der Psychoanalyst Raoul Schindler hat 1957 das rangdynamische Positionsmodell entwickelt. Es werden die verschiedenen Positionen, welche Mitglieder innerhalb einer Gruppe einnehmen können und wie diese miteinander in Verbindung stehen, betrachtet. Diese Betrachtung schafft Klarheit. Eine Klarheit, welche die gemeinsame Arbeit mit einem Kanban-board positiv beflügeln kann.

Prinzip 4: Zu Führungsverantwortung auf allen Ebenen ermutigen

Alle Personen müssen in diesem Kanban-Prinzip die kontinuierliche Verbesserung für sich annehmen und umsetzen. Dies ermöglicht die Etablierung einer optimale Performance.

Eine offensichtliche Parallele zwischen Kanban und Gruppendynamik ist vielleicht nicht auf den ersten Blick zu sehen. Doch bei genauer Betrachtung sind aus meiner Sicht persönliche Wagnisse eine Form der Führung, wenn sie in Zusammenhang mit Selbstbeobachtung und dem Einholen von Feedback gekoppelt sind. Das führt zum Erfolg.

Change des Bewusstseins der Gruppendynamik für Kanban

Gruppendynamik und Kanban bieten die Chance arbeitsfähig zu sein. Kanban ohne Gruppendynamik ist für mich heute undenkbar. Beides ist nicht in Stein gemeisselt. Es verändert sich und passt sich den Gegebenheiten an. Ist eine Gruppe arbeitsfähig, kann dies im Falle eines Bottleneck helfen, gemeinsam die Situation zu meistern.