Mit der zweiten Home-Office Aufforderung in diesem Jahr werden Online Meetings und Workshops definitiv zur neuen Realität. Nach der kurzen Erholung im Sommer nehmen wir sehr bewusst wahr, dass die Qualität von Online Meetings und Workshops ein Schlüsselfaktor zur erfolgreichen Führung von Projekten, Teams und Organisationen ist. Herausfordernd an der jetzigen Situation ist auch, dass sie nicht absehbar ist. Wie lange werden wir so zusammenarbeiten (müssen)? Wir wissen es nicht.
Professionelle Moderation von Online-Meetings und -Workshops ist anspruchsvoll. Vieles was sich in einem Meeting gemeinsam in einem Sitzungszimmer auf natürliche Art und Weise ergibt, muss bei Online-Meetings bewusst gestaltet werden.
Für mich gibt es unterschiedliche Qualitäts-Stufen von Online Meetings, je nachdem welche Sinne der Teilnehmenden an der bewussten Kommunikation beteiligt sind.
Diese Graphik zeigt bei den einzelnen Stufen auf, welche Sinne angesprochen sind. Ich habe als Grundlage das Eisbergmodell von Sigmund Freud verwendet. Die blaue Linie symbolisiert die Wasseroberfläche, somit die bewusst wahrnehmbaren Eindrücke. Unterhalb der Wasseroberfläche werden die Sinne nicht mit bewusster Wahrnehmung bedient. Die Sinne sind ja aber gleichwohl aktiv. Und was machen wir sozialen Wesen in dieser Situation? Wir probieren das, was wir nicht bewusst wahrnehmen können, zu kompensieren, indem wir es uns vorstellen. Je besser wir die Teilnehmenden bereits persönlich kennen, desto einfacher fällt uns diese Kompensation.
Gemeinsam einsam
So präsentiert sich ein Online-Meeting auf der Stufe „Gemeinsam einsam“: Alle sind eingewählt im Call, aber ob sie effektiv präsent sind, wenigstens körperlich, ist nicht sichtbar, da die meisten das Video ausgeschaltet haben. Das Mikrophon ist mute, nur wer sich meldet, schaltet es kurz ein. Ganz unterhaltsam ist, wenn ein Teilnehmender das Mikrophon doch mal aus Versehen unmute hat und dann ein Telefon entgegen nimmt mit der Aussage: „Ja, ich habe Zeit, bin nur aktuell in einer Sitzung…“ (habe alles schon erlebt).
Das Ergebnis solcher Online Meetings: es hat stattgefunden. Der Outcome ist nicht wichtig. Es wird nichts visualisiert, weder die Arbeit im Meeting noch die Ergebnisse. Maximal sind Informationen von A nach B geflossen. Entscheide wurden, falls überhaupt, im Meeting von einzelnen Teilnehmenden gefällt.
Gemeinsam einsam:
- Das Ohr ist, wen überhaupt, eingeschaltet.
- Die Augen sind nicht beteiligt. Sie schauen auf eine meist dunkle Fläche.
- Das Zwischenmenschliche ist maximal reduziert. Emotionen können wir höchstens durch die Stimmlage interpretieren.
- Körperliche und mentale Präsenz werden nicht eingefordert.
- Adaptive Führung des Meetings ist unmöglich.
Fazit: Die Kommunikationstiefe ist sehr gering, Missverständnisse und Fehlinterpretationen sind der Standard. Da die Kommunikationstiefe so gering ist, bleiben diese Missverständnisse verborgen.
Sich acht Stunden am Tag mit dem dunklen Bildschirm zu unterhalten, kann sehr einsam machen.
Spannend ist, dass unser soziales Wesen, das wir alle sind, in diesen Meetings hauptsächlich damit beschäftigt ist, das unsichtbare (sprich Mimik, Gestik und daraus resultierend die Stimmung, die Emotionen…) zu kompensieren. Es läuft in uns allen ein paralleler Prozess zum eigentlichen Meeting statt, indem wir uns fragen:“ Was meinte sie jetzt damit?“, „Wie könnte ihre Mimik zu dieser Aussage aussehen?“. Da wir so wenig voneinander wahrnehmen, läuft dieser Kompensationsmechanismus auf Hochtouren. Das ist unglaublich ermüdend. Ich bin nach so einem Meeting immer fix und fertig.
Ich finde es bedenklich, das dies in vielen Organisationen heute der Standard von Online-Meetings ist.
Gemeinsam anwesend
So präsentiert sich ein Online-Meeting auf der Stufe „Gemeinsam anwesend“: Alle sind eingewählt im Call und ein paar Anwesende haben das Video angeschaltet. Die soziale Kontrolle ist schon mal da, aber sie wird nicht eingefordert. Oft sehe ich Teilnehmende, die offensichtlich etwas anderes machen und mental nicht am Meeting anwesend sind. Und niemand im Call spricht es an. Spannenderweise regrediert dieser Call meistens zu einem „Gemeinsam einsam“. Die wenigen, die zu Beginn das Video eingeschaltet hatten, stellen es mit der Zeit ab (siehe gelbe Pfeile unten in der Graphik). Es ist unangenehm, selber so transparent zu sein, wenn andere sich immer noch im Unsichtbaren verkriechen. In so einer Situation das Video anzubehalten braucht Mut und Kampfgeist.
Im Meeting selber gibt es keine Struktur, auch keine informelle. Es wird nichts visualisiert. Weder den Ablauf des Meetings, die Ziele oder die (Zwischen-) Ergebnisse. Maximal wird eine PowerPoint zum Reviewen eingeblendet.
Das Ergebnis solcher Online Meetings: es hat stattgefunden. Der Outcome ist nicht wichtig. Maximal hat man Feedback zu einem präsentierten Ergebnis erhalten. Entscheide werden im Meeting von einzelnen Teilnehmenden gefällt. Er/Sie lässt sich, falls überhaupt, im Meeting beraten.
Gemeinsam anwesend:
- Das Ohr ist eingeschaltet.
- Die Augen sind beteiligt und können Mimik und Gestik wahrnehmen (solange das Video eingeschaltet ist.)
- Das Zwischenmenschliche ist immens reduziert. Emotionen sind fast unsichtbar.
- Körperliche Präsenz wird (mit Video) sichergestellt, aber nicht eingefordert.
- Mentale Präsenz ist nicht notwendig.
- Partielle Führung des Meetings wird möglich.
Die Kompensationsleistung der Teilnehmenden ist nach wie vor sehr hoch.
Gemeinsam kommunizeren
Ok, jetzt wird es langsam spannend. In dieser Art von Meeting findet echte Kommunikation statt. Es wird über Ton und Bild (Mimik, Gestik, Körpersprache) miteinander kommuniziert. Teilweise werden Arbeiten im Workshop visualisiert, aber meistens nicht dort gemeinsam daran gearbeitet.
Im Meeting selber gibt es eine Struktur, oftmals nur eine informelle. Das Meeting wird geführt. Entscheide werden im Meeting getroffen. Es finden Mono-, Dia- und Teamaloge (alle im Meeting sind in das Gespräch involviert) statt.
Gemeinsam kommunizieren:
- Das Ohr ist eingeschaltet.
- Das Auge kann Mimik, Gestik und Körpersprache der Video-Teilnehmenden wahrnehmen.
- Körperliche Präsenz wird eingefordert.
- Mentale Präsenz wird teilweise eingefordert.
- Das Zwischenmenschliche ist vorhanden. Emotionen werden langsam sichtbar.
Das Ergebnis dieser Online Meetings: es hat stattgefunden, wir fühlen uns als Teil von diesem Meeting und bestenfalls als Mit-Gestalter der Meetings-Ergebnisse. Entscheide werden bestenfalls im Meeting von einzelnen oder mehreren Teilnehmenden gefällt, je nach Führung des Meetings.
Da mehrere Sinne von den Teilnehmenden an diesem Meeting mit Eindrücken bedient wurden, fühlen wir uns danach weniger leer. Der Kompensationsaufwand ist ertragbar.
Dies ist in vielen Organisationen das natürliche Level eines vor Ort Meetings! Was ich damit sagen will (warum es fett geschrieben ist) ist es nicht erschreckend, wie stark wir bei den Online-Meetings degenerieren?
Gemeinsam denken und neues Gestalten
Und hier bin ich zu Hause als Facilitatorin. An diesem Meeting werden gemeinsam neue Ideen und Themen besprochen, geschärft, entwickelt und darüber Entschiede gefällt.
Diese hohe Intensität von Zusammenarbeit setzt folgende Kommunikation voraus:
- Das Ohr ist eingeschaltet.
- Das Auge kann Mimik, Gestik und Körpersprache der Video-Teilnehmenden wahrnehmen.
- Körperliche Präsenz wird eingefordert.
- Mentale Präsenz wird eingefordert, vor allem durch das gemeinsam Denken in einem Kollaborationswerkzeug.
- Das Zwischenmenschliche wird durch die Partizipation an der Kollaboration eingefordert, soweit dies Online möglich ist. Emotionen sind sichtbar fast wie in einem Vor-Ort-Meeting.
Wer das Eisberg-Modell kennt, weiss, auch bei dieser Stufe gibt es noch vieles, was unterhalb der Wasseroberfläche ist. Darauf verzichte ich jetzt bewusst, es würde das Modell nur aufblasen, ohne für den Kontext der Online-Meetings Mehrwert zu schaffen. (Für Neugierige: Unsere Blog-Beiträge zu Themen unterhalb der Wasseroberfläche)
Take away
- Online Meetings müssen / dürfen bewusst gestaltet werden. Das entlastet uns und die anderen.
- Sich vor dem Meeting (vor allem als Organisator) bewusst für ein Kommunikationsniveau entscheiden, dies vor dem Meeting (oder in der Einladung) mitteilen und im Meeting einfordern.
- Wenn das Niveau eines Vor-Ort-Meetings erreicht werden will – Stufe: Gemeinsam kommunizieren – braucht es bei den Online-Meetings Regeln. Diese Regel müssen / dürfen aktiv eingefordert werden.
- Je tiefer die Kommunikation im Online-Meeting, desto nachhaltiger das Ergebnis.
- Je tiefer die Kommunikation im Online-Meeting, desto weniger Anstrengend ist es für uns. Zumindest bis zur Stufe „Gemeinsam kommunizieren“. Die Stufe „Gemeinsam denken“ braucht von den Teilnehmenden auch viel Energie, welche im Meeting in Gestaltungsenergie umgewandelt wird und somit eine Wirkung im Meeting und im gemeinsamen Ergebnis erzeugen kann! Nach diesem Meeting fühlen wir uns Müde, aber nicht leer. Das gemeinsame Gestalten liefert uns auch Energie zurück.
Tönt das spannend für dich und du möchtest mal ein Online Meeting auf der Stufe „Gemeinsam denken“ erleben?
Dann nimmt mit uns Kontakt auf, wir haben uns auf diese Qualität von Online Meetings spezialisiert. Wir übernehmen die Verantwortung für die Moderation, die Technik und das Visualisieren der Arbeit und der Entscheide. Damit ihr euch ganz auf den Inhalt konzentrieren könnt. Daraus resultieren wirkungsvolle Online-Meetings.