Wofür engagierst du dich?

Ich wurde letzthin von einem Team-Member gefragt «zu was committen wir uns?» als es darum ging einen Team-Radar auszufüllen. Diese Frage liess mich ratlos zurück.

Es ist nicht die Frage an sich. Es ist viel mehr das diese Frage auftaucht in einem SCRUM-Team welches seit Jahren in entsprechendem Kontext unterwegs ist und von sich sagt wir leben SCRUM.

Als Scrum Master bist du ergebnisverantwortlich für die Einführung von SCRUM sowie alle dabei zu unterstützen die Theorie und Praxis zu verstehen und zu Leben (beginnen). Zudem engagierst du dich auch für die Effektivität des SCRUM-Teams sowie die Entwicklung des Teams und dessen Members.

Was nun, wenn diese Frage aufpoppt während sich die Teams jeden Sprit zu Sprint Goal und Co commiten?

Die 5 SCRUM-Werte sind für mich als SM elementar. Sie definieren SCRUM, die Rolle als SM und wesentlich wichtiger; Mit Offenheit, Respekt, Mut, Fokus und Commitment lebt ein Team – ohne ist es tot.

Vielleicht ist genau dies der Knackpunkt. Menschen committen sich zu ‘irgend welchen Themen’ – nicht nur in der Arbeitswelt – schreiben es auf Todo-Listen um es wieder zu vergessen. Wirklich aktiv werden die wenigsten um engagiert anzupacken – all in zu gehen, wenn nötigt – um dem Commitment auf die Füsse zu helfen.

Die Werte Respekt, Offenheit, Mut, Commitment und Fokus sind Grundlagenwerte für ein Team sowie des Zusammenlebens an sich.
Jetzt kannst du fragen was hat Fokus mit der Gesellschaft zu tun? Meines Erachtens dasselbe wie innerhalb eines Teams.
Es geht darum, bewusst Zeit und Energie auf die Dinge zu lenken, welche für das Zusammenleben und die zwischenmenschlichen Beziehungen von Bedeutung sind um die Kommunikation und Zusammenarbeit zu verbessern, Missverständnisse zu vermeiden umso die Gesellschaft weiterzubringen. Hierfür braucht es innerhalb der Teams wie in der Gesellschaft Mut um aufeinander zuzugehen. Respekt für das Gegenüber und Offenheit für deren mögliche anderen Standpunkte oder Ansichten. So können Diskussionen über die Zukunft entstehen welche das Team und die Gesellschaft fördern und zusammen bringen, welche im optimal Fall zu einem gemeinsamen Commitment führt.

Wenn du als Scrum Master merkst, dass du dein Team nicht vorwärtsbringst

Was machst du?
Diese Frage stellt sich mir seit ein paar Wochen. Ich spüre, dass ich das Team nicht so enablen kann, wie ich mir das vorstelle. Ziele, welche sich das Team vor ca. 3 Monaten selbst gesteckt hat, erreicht es nicht – und ist zufrieden mit der Situation.


Habe ich zu hohe Ansprüche an mich und an die Team-Mitglieder um sich dauernd zu verbessern?
Als Scrum Master habe ich hohe Ansprüche bezüglich der eigenen Leistung in der Rolle wie auch an die Teammitglieder und somit an das Team. Beim Team ist es primär der Anspruch sich immer wieder verbessern zu wollen, unabhängig davon wie gut das Team ist, denn «A rolling stone gathers no moss». Als Scrum Master möchte ich jede einzelne Person weiterbringen – was sich, im optimalen Fall, auf das grosse Ganze entsprechend auswirkt. Wenn es sogar messbare, konkrete Themen gibt, in welchen sich das Team verbessern kann, umso besser, da es greifbar ist für alle (z.B. Geschwindigkeit, Schnelligkeit). Mich triggert es, wenn das Team zufrieden ist, obwohl es offensichtliches Verbesserungspotenzial aufweist und trotz Interventionen nicht wirklich vorankommt. (Jetzt stellt sich die Frage nach den Interventionen, das gibt vermutlich einen separaten Blogbeitrag 😉). Hat ein Team seine selbstgesteckten Ziele und Verbesserungswünsche erreicht, dann gilt es diese zu feiern. Noch mehr jedoch gilt es die einzelnen Schritte auf dem Weg dahin zu zelebrieren. Die sind es, welche das Team wirklich voranbringt und im Endeffekt erfolgreich macht – und mich als Scrum Master enorm freuen.


Passen das Team und der Scrum Master mit seinen Skills zusammen?
Mit dieser Frage stellte ich fest, dass jeweils eine kontroverse Diskussion startet. Zum einen, dass sich so der Scrum Master zu sehr ins Zentrum stellt. Zum anderen, dass das Team dann erfolgreich wäre, im sich Wehren gegen Veränderungen bez. «gegen» den Scrum Master. Eine weitere Facette ist, dass der Scrum Master dann «versagt» hat, wenn er das Team nicht weiterbringt und den Hut nehmen würde.
Meines Erachtens ist es nicht ganz so trivial, da alles mal mehr mal weniger hineinspielt. Jeder Scrum Master hat seine eigene Art wie die Rolle gelebt wird und welche Skills die jeweilige Person einbringt aufgrund der Erfahrung, Charaktereigenschaften, Vorstellungen und Visionen sowie in welchem Kontext sich das Scrum Team befindet und deren Teamzusammenstellung. Hast du ein Team welches «open minded» ist und gerne Neues probiert, ist es sicher einfacher mögliche Lösungswege zu probieren, um sich für den passenden zu entscheiden. Hast du ein Team welches «Hierarchie gläubig» ist und Bekanntes stark wertschätzt ist es sicher schwieriger Lösungen zu probieren, um adäquate Entscheidungen zu treffen.

In diesem Fall wird Neues skeptisch betrachtet und anschliessend zugestimmt, um es auszuprobieren. Jetzt fragst du dich, wo ist nun das Problem. Beim Commitment. Es commiten sich alle dazu aus dem Team, jedoch wirklich leben und voranziehen tut es keine Person länger als zwei Tage. Oder es wird dem Scrum Master zuliebe gemacht, damit dieser glücklich ist. Beispiel: Das Planning ist stark optimierungsbedürftig. Die PBIs werden für den Sprint geplant inkl. den Tasks auf Stundenbasis. Die Kapazität ist geringer als die geplanten PBIs und Tasks. Darauf angesprochen in Retros, Workshop und gemäss Team Commitment im Planning «für den Fall, dass es wieder vorkommt», ist der Bedarf für eine valide Planung klein. Alle im Team sind glücklich; PO da all seine PBIs im Sprint sind, Developer hat den ganzen Sprint Arbeit und Testing hat genügend zu tun. Man kann dann immer noch PBIs in den nächsten Sprint schieben, wenn diese nicht abgeschlossen werden – oder die verfügbaren Stunden tunen, damit die Planung valide wird und der Scrum Master nicht mehr reklamiert.

Wenn der Scrum Master darauf aufmerksam macht, kommen entweder «hab’s vergessen», «passt doch so, wie wir es gemacht haben» oder gar keine Reaktion. Hiermit habe ich echt Mühe, da es sich aus meiner Sicht um erwachsene mündige Menschen handelt, welche «in charge» sind und der Scrum Master kein Diktator ist, der befielt, wo es durchgeht. Hier fordert mich das Team stark um meine Fähigkeiten bezüglich Umgangs mit «Widerständen im Commitment» zu trainieren. Zurzeit versuche ich es direktiv und eher «Drill Sargent« mässig, was weniger meiner Haltung entspricht jedoch für mich wichtig ist, es auszuprobieren, ob so mehr erreicht wird mit dem Team. Das bringt mich auch zur Frage nach dem zusammenpassen des Teams und Scrum Master, weil das, was ich an Repertoire habe, und in den vergangenen Monaten dazu lernte, auch durch Coaching, das Team anscheinend nicht weiterbringt. Der Teamentwicklungs-Workshop vom Herbst 2022, welche durch Externe geleitet wurde, scheint leider ebenfalls verpufft zu sein. Die Teammitglieder mögen sich, was echt klasse ist. Produktiv ist es bis jetzt nicht wirklich was besser geworden.

Was ist eure Erfahrung in dieser Situation? Ist es Team blaming wenn der Scrum Master mit einem Team nicht weiterkommt? Was macht ihr hier konkret?


Ist es ein Aufgeben oder eine sachlogische Entscheidung?
Das ist das Dilemma, in welchem ich zurzeit stecke. Wie obenstehend gelesen, es sind alle happy so wie es ist – ausser der Scrum Master. Wenn das Team glücklich ist mit seinem Weg, ist der Scrum Master zu kritisch? Wenn das Management mehr Planbarkeit und Aussagekraft vom Team erwartet, hat der Scrum Master versagt? Gibt der Scrum Master auf, wenn er sich entscheidet weiterzuziehen, da Energie und Aufwand für ihn nicht zufrieden stellend ist (ROI subjektiv gefühlt ca 40%).

Ich liebe die Rolle als Scrum Master, da es absolut geil ist Menschen und Teams zu begleiten, herauszufordern und weiterzubringen. Die Reflexion der Rolle und des eigenen Handelns ebenfalls, weil nur so kann ich besser werden und noch mehr dazu lernen für zukünftige Herausforderungen.

Learnings
Was ich bis jetzt gelernt habe in diesem Team und für die Zukunft mitnehme möchte ich nachstehend mit euch teilen.

Noch klarer Kommunizieren.
Ich tendiere stark dazu dem Gegenüber Fragen zu stellen, damit die Lösung für ein Problem selbst gefunden werden kann. Hier werde ich künftig viel mehr konkrete Lösungen direkt anbieten statt das Gegenüber studieren zu lassen, wenn diese Art zu Coachen nicht funktioniert nach zwei Mal.

Schneller aktiv Handeln.
Weniger Zeit nehmen mir das Ganze anzuschauen und mit feinen Interventionen zu verändern. Sondern rascher proaktiv angehen, auch wenn das Gegenüber sagt es werde jenes oder dies angehen.

Auf das Bauchgefühl hören.
Ich wollte es bei diesem Team «richtig» und «gut» machen um «erfolgreich» zu sein und alle Parteien «glücklich» machen und habe mein Bauchgefühl vernachlässigt. Dieses zeigte sich in der Vergangenheit jedoch immer als gut und zuverlässig.

Scrum Master Rolle ist der Hammer.
Die Rolle mag ich nach wie vor und trotz – oder gerade wegen – diesen Schwierigkeiten. Wo bekommt man sonst so viel Abwechslung innerhalb eines Jobs?! Und ich liebe Abwechslung, so wird es nicht langweilig 😊

Wie geht es weiter? Welche Möglichkeiten gibt es?
Nach Gesprächen mit dem direkten Management stehen diverse Fragen im Raum.
Sei es bezüglich des Scrum Masters, ob ich mit der Arbeitsweise des Teams leben kann.
Zusätzlich wurden diverse Wirkungsfelder aufgezeigt welche dringend bearbeitet werden sollten im näheren Umfeld des Team.

«Arbeitsweise des Teams akzeptieren und machen lassen – Schauen was dabei rumkommt.»
Die Fragen welche sich hier stellen sind; Kann und will der Scrum Master damit Leben, dass das Team keine saubere Planung will. Kann und will der Scrum Master damit Leben, das Team einfach rennen lassen, um zu sehen, was dabei rauskommt.

Einbindung grundsätzlich verbessern
Die allgemeine Einbindung der Involvierten Parteien (User, Business) ist aus Sicht des Managements stark verbesserungsfähig. Aktuell werden vor allem die internen Vertreter des Business angehört und anhand von dem das Backlog durch den PO nach eigenem Gutdünken erstellt.

Fokus mehr auf Stakeholdermanagement
Aktuell würden die Stakeholder gar nicht oder zu wenig in die Aktivitäten mit einbezogen und deren Bedürfnisse zu wenig in Betracht gezogen. Wie oben geschrieben gilt es hier einen allgemeinen Austausch direkt miteinander herzustellen und zu etablieren, damit die Prioritäten vom Business gesetzt werden. Wie kann das Business in Verantwortung genommen werden? Wie gelingt eine nachhaltige Entwicklung?

Daten sichten (z.B. Feldtests, User Erfahrung)
Anscheinend gibt es diverse Daten aus (Feld-)Tests, welche zur Verfügung stehen würden, jedoch von niemandem genutzt werden – weder von der internen Business Vertretung noch vom Team. Hier würde es v.a. darum gehen diese Daten mal grundsätzlich zu analysieren. Welche Erkenntnisse können in neue Taten umgesetzt werden?

«Den Haufen Individualisten» zu einem Team formen
Da das Team in Realität eher ein «Haufen von Individuen» ist, wäre eine weitere Möglichkeit das Gärtchen-Denken aufzubrechen und den Weg zu einem «gemeinsamen Ganzen» zu gehen. Ein Team zu bilden aus einer Gruppe mit charakterstarken Individualisten ist sicherlich eine weitere, grosse, Herausforderung. Ob dies in dieser Konstellation gelingt?

Das Team wechseln
Eine weitere Möglichkeit ist, dass ich das Team verlasse und zu einem anderen wechsle. In diesem Unternehmen hat es noch zwei weitere Teams welche einen Scrum Master brauchen könnten. Beide Teams «funktionieren» zur Zeit und sind in unterschiedlichen Kontexten unterwegs. Das eine Team ist schon länger in Scrum unterwegs und das andere etwas weniger lang da es später entstand. Beide Teams haben interessante Themen.

Quo vadis?
Als Scrum Master gilt es immer wieder Neues zu lernen und Herausgefordert zu werden, gleichzeitig auch Erfahrung auszutauschen oder weiterzugeben.
Im ersten Team gibt es «nicht allzu viel» zu tun, da es läuft innerhalb und ausserhalb. Beim zweiten Team gibt es mehr zu tun, da dort aktuell auch Strukturell Anpassungen stattfinden welche vermutlich Auswirkungen auf das Team haben werden. Im dritten Team gibt es im Umfeld einiges zu tun, nebst der Arbeit innerhalb.

Mein Entscheid fällt auf das dritte Team, auch wenn dies bedeutet das ich als Scrum Master die eigenen Ansichten zur Arbeitsweise wegschliessen muss – was eine gute Übung ist. Die Herausforderungen hier reizen mich vor allem bezüglich Stakeholder Fokus und Team bilden. Eine Frage bleibt; Kommt der Scrum Master hier nicht zu stark in den Bereich des PO? Es bleibt spannend.
In diesem Sinne; Rock ‘n roll mit dem aktuellen Team und Scrum Master Skills trainieren!