Erinnerst du dich noch? An das Gefühl, als die agile Welle vor einigen Jahren so richtig ins Rollen kam? Plötzlich waren die Gänge voller Kanban-Boards, die Kalender gefüllt mit neuen Ritualen und die Luft erfüllt von einem Vokabular aus Sprints, User Stories und Retrospektiven. Es war eine Zeit des Aufbruchs, getragen von dem Versprechen, alles schneller, besser und menschlicher zu machen.
Für die Teams war dieser Wandel unmittelbar und oft sehr real. Sie waren es, die neue Arbeitsweisen erlernen, Rollenkonflikte austragen und die oft steinigen ersten Schritte in die Selbstorganisation gehen mussten. Sie waren im Maschinenraum der Veränderung.

Und das Management? Natürlich, der Wandel war gewollt, die Versprechen von mehr Effizienz und Innovationskraft waren verlockend. Doch seien wir ehrlich: Für viele Führungskräfte fand die Transformation auf einer gewissen Distanz statt. Man konnte sie von der Kommandobrücke aus beobachten, man konnte sie steuern und moderieren, aber man musste nicht zwingend selbst in den Wellengang eintauchen. Die schmerzhaften Lernschleifen, die täglichen Reibungsverluste – sie waren oft das Thema der Teams, nicht das der Chefetage. Man konnte sich ein wenig raushalten, solange die Ergebnisse stimmten.
Das Déjà-vu, das keines sein wird
Jetzt steht die nächste grosse Welle vor der Tür, und sie trägt den Namen „Künstliche Intelligenz“. Wieder beginnt es auf der Team-Ebene. KI-Tools halten Einzug in den Code-Editoren, den Marketing-Abteilungen und den Design-Studios. Sie versprechen, die Produktivität zu revolutionieren, Routineaufgaben zu eliminieren und die Kreativität zu beflügeln. Die Arbeit der Teammitglieder verändert sich bereits heute, hier und jetzt.
Und das Management? Die Versuchung ist gross, das alte Drehbuch aus der Schublade zu holen. Man könnte denken: „Das ist wieder ein Thema für die Fachexperten. Wir geben die strategische Richtung vor, investieren in die richtigen Tools und lassen die Teams die neue Arbeitsweise etablieren.“ Man könnte glauben, man könne wieder an Deck bleiben, während die Crew im Maschinenraum die neuen Systeme integriert.
Doch ich bezweifle, dass dieser Plan aufgehen wird. Ich glaube, die KI-Revolution unterscheidet sich in einem fundamentalen Punkt von der agilen Transformation: Diesmal gibt es keine Kommandobrücke, von der aus man zusehen kann.
Warum? Weil die KI nicht nur die Werkzeuge der Ausführung verändert, sondern auch die Werkzeuge der Führung. Agile Methoden haben die Art, wie Teams arbeiten, neu geordnet. KI-Systeme verändern die Art, wie Führungskräfte denken, kommunizieren und entscheiden. Deine E-Mails, deine Strategieanalysen, deine Präsentationen, deine Entscheidungsmodelle – all diese ureigenen Führungsinstrumente werden in kürzester Zeit zu Co-Kreationen von Mensch und Maschine. Es gibt kein „Aussen“ mehr. Der Wandel ist nicht mehr etwas, das man „für die Organisation“ macht; er geschieht mit einem selbst.
Das Experiment beginnt: Führung im Zeitalter der KI
Wenn wir also nicht mehr an Deck bleiben können, was tun wir dann? Die ehrliche Antwort lautet: Wir wissen es noch nicht genau. Es gibt kein fertiges Framework, kein Fünf-Punkte-Programm für KI-Leadership. Wer das behauptet, verkauft Schlangenöl.
Das bedeutet, wir müssen wieder zu dem werden, was gute Unternehmer und Führungskräfte schon immer waren: Experimentierende. Wir müssen beginnen, neue Hypothesen zu entwickeln und zu testen. Wir müssen Räume schaffen, in denen wir uns offen und ehrlich darüber austauschen, wie sich unsere Rolle verändert.
Und genau hier, am Anfang dieses grossen Experiments, möchte ich einen ersten, zentralen Ankerpunkt setzen. Eine Frage, von der ich glaube, dass sie im Zentrum der neuen Führungsarbeit stehen wird:
Wie sieht Führungsauthentizität im KI-Zeitalter aus?
Wenn eine KI uns helfen kann, die „perfekte“ E-Mail zu formulieren, die „überzeugendste“ Präsentation zu bauen und die „datengetriebenste“ Strategie zu entwerfen – was bleibt dann vom Menschen in der Führung übrig? Was ist der Funke, den keine Maschine erzeugen kann?
Ich glaube, die Antwort liegt in der menschlichen Essenz, die durch die glatte, optimierte Oberfläche der KI umso heller leuchten muss: Deine persönliche Überzeugung. Deine gelebten Werte. Deine Fähigkeit, Vertrauen aufzubauen. Deine Bereitschaft, dich verletzlich zu zeigen. Deine einzigartige Geschichte und deine Emotionen.
Kurz gesagt: Deine Authentizität.
In einer Welt, die mit perfekt generiertem Content überflutet wird, wird der echte, menschliche Abdruck zur wertvollsten Währung. Die Fähigkeit, als Mensch greifbar zu sein und eine echte Verbindung herzustellen, ist vielleicht die wichtigste Fähigkeit, die wir in der KI-Ära kultivieren müssen.
Aber das ist nur eine erste Hypothese. Der Anfang eines Dialogs, den wir führen müssen.
Was denkst du? Stehen wir am Anfang einer neuen Führungsrevolution? Und ist Authentizität der Kompass, den wir dafür brauchen? Ich freue mich auf deine Gedanken in den Kommentaren.