Navigieren im Sturm: Wie ein Scrum Master ein unglückliches Team zu neuem Kurs führt

(gilt natürlich auch für Führungskräfte!)

Der Sturm, den wir alle kennen (Awareness)

Habt ihr euch je gefühlt, als würdet ihr ein sinkendes Schiff steuern? Ich schon. Als Scrum Master hatte ich kürzlich ein Team, das unglücklich war – wirklich unglücklich. Sprint Reviews endeten in Schweigen, Retrospektiven wurden zu Beschwerdeorgien, und die Stimmung war so grau wie ein Novembertag. Es war, als wären wir eine Crew auf hoher See, gefangen in einem endlosen Sturm. Der Wind peitschte uns ins Gesicht, die Wellen schlugen über Deck, und jeder dachte: „Warum passiert das ausgerechnet uns?“
Ich konnte ihnen nicht einfach sagen: „Seid glücklich, das ist eure Wahl.“ Das hätte sie nur noch mehr genervt. Aber ich wollte sie dazu bringen, die Welt anders zu sehen – nicht als Opfer des Sturms, sondern als Navigatoren ihrer Reise. Also erzählte ich ihnen eine Geschichte. Und genau diese Geschichte teile ich heute mit euch – vielleicht hilft sie auch eurem Team, den Kurs zu ändern.


Teil 1: Ein Blick durch den Nebel (Interest)

Stellt euch ein altes Segelschiff vor, mitten im Chaos. Die Crew ist erschöpft – nasse Kleider, knurrende Mägen, und der Kompass dreht sich wie verrückt. Sie schimpfen: „Dieser Sturm wird uns umbringen!“ oder „Wer hat uns überhaupt hierher gebracht?“ Klingt vertraut, oder? In meinen Sprints hörte ich ähnliches: „Die Anforderungen sind unklar!“, „Die Stakeholder ändern ständig alles!“
Dann passiert etwas. Der Kapitän – nennen wir ihn Max – steht auf. Er sagt kein Wort, sondern greift zum Fernrohr und schaut zum Horizont. Die Crew verdreht die Augen: „Was soll das jetzt?“ Aber eine Matrosin, Lisa, wird neugierig. „Was siehst du, Max?“ fragt sie. Er antwortet ruhig: „Ich sehe, dass der Sturm nicht das Meer ist. Er ist nur ein Teil davon.“
Lisa nimmt das Fernrohr selbst – und da, durch den Nebel, erkennt sie einen schwachen Landstrich. Nicht nah, aber erreichbar. Plötzlich reden sie nicht mehr über den Sturm, sondern darüber, was jenseits davon liegt.

Als Scrum Master bin ich oft wie Max. Ich kann den Sturm – unklare Product Goals, technische Schulden, Konflikte – nicht stoppen. Aber ich kann das Fernrohr reichen. In einer Retro fragte ich: „Wann lief es bei uns mal richtig gut?“ Eine Antwort kam zögernd: „Beim letzten Release, als wir zusammengetan haben.“ Ein kleiner Funke. Interesse war geweckt.


Teil 2: Der Moment der Wahrheit (Desire)

Zurück zur Crew. Sie stehen vor einer Wahl. Weiter fluchen, die nassen Füße beklagen und auf besseres Wetter warten? Oder etwas ändern? Lisa sagt: „Wenn wir die Segel anders setzen, könnten wir das Land erreichen.“ Ein anderer, Tom, fügt hinzu: „Und wenn wir zusammen rudern, sind wir schneller.“ Ein Dritter lacht: „Dann könnten wir sogar trockene Socken finden!“
Auf einmal reden sie nicht mehr über das Problem, sondern über die Lösung. Sie merken: Der Sturm ist da, ja. Aber er entscheidet nicht, wohin sie fahren. Sie entscheiden das.

In meinem Team war es ähnlich. Nach der Retro fragte ich: „Was könnten wir tun, um wieder so einen Moment wie beim letzten Release zu haben?“ Jemand sagte: „Weniger Multitasking, mehr Fokus.“ Ein anderer: „Klarere Prioritäten vom Product Owner.“ Die Ideen sprudelten – nicht, weil ich sie anwies, sondern weil sie Lust bekamen, den Kurs zu ändern. Sie wollten nicht mehr nur überleben, sondern ankommen. Als Scrum Master musste ich nur den Raum halten – das Verlangen wuchs von selbst.


Teil 3: Land in Sicht (Action)

Die Crew im Sturm macht sich ans Werk. Sie setzen die Segel neu, rudern im Takt, und ja, sie fluchen noch über den Wind – aber mit einem Grinsen. Am Ende erreichen sie das Land. Nicht, weil der Sturm aufhörte (das tat er nicht), sondern weil sie ihn nicht mehr die Richtung bestimmen ließen. Als sie anlegen, sind sie nass, müde, aber sie lachen. Nicht, weil alles perfekt war, sondern weil sie es zusammen geschafft hatten.
Ich fragte meine Crew damals: „Was hätte unsere Mannschaft anders machen können?“ Die Antwort kam schnell: „Zusammenarbeiten, statt nur zu meckern.“ Und dann: „Vielleicht sollten wir das auch mal probieren.“

Das war der Startschuss. Im nächsten Sprint priorisierten wir eine Aufgabe, die wir gemeinsam rocken konnten – ein kleines „Land“ am Horizont. Wir definierten klare Rollen (wer rudert, wer segelt?), und ich hielt mich zurück, ließ sie navigieren. Das Ergebnis? Der Sprint endete nicht perfekt, aber mit einem Gefühl: „Wir können das steuern.“


Reflexion: Was Scrum Masters und Führungskräfte lernen können

Diese Geschichte hat mir gezeigt: Unglückliche Teams brauchen kein Glücksrezept, sondern eine neue Perspektive. Als Scrum Master kannst du kein Wetterguru sein, aber ein Navigator. Du musst sie nicht belehren – erzähl ihnen eine Geschichte, die sie abholt. Zeig ihnen den Horizont, ohne ihn zu erzwingen.

  • Aufmerksamkeit: Spiegle ihre Realität (den Sturm), damit sie sich verstanden fühlen.
  • Interesse: Biete eine Wendung (das Fernrohr), die sie neugierig macht.
  • Verlangen: Lass sie selbst entdecken, dass sie den Kurs ändern können.
  • Aktion: Gib ihnen den Raum, die Segel zu setzen – sie werden es tun, wenn sie wollen.

Dein nächster Schritt

Fühlst du dich auch wie ein Kapitän im Sturm? Dann schnapp dir dein Fernrohr. Erzähl deinem Team eine Geschichte – vielleicht diese, vielleicht eine eigene. Frag sie: „Was sehen wir am Horizont?“ Und dann lass sie rudern. Teilt eure Erfahrungen in den Kommentaren – ich bin gespannt, wohin eure Reise führt!


Theorie-Teil_

AIDA:

  • Awareness: Einleitung mit der Sturm-Metapher.
  • Interest: Die Wendung mit dem Fernrohr.
  • Desire: Die Crew findet Motivation.
  • Action: Der Schluss mit konkreter Umsetzung und Aufruf.
  • Scrum-Elemente: Retro, Sprint, Product Owner – für Authentizität aus der Scrum-Master-Sicht.

Veröffentlicht von

Ruedi

Rudolf "Ruedi" Gysi Liebt Produkte welche Kunden begeistern und Forscher zum Thema Iterative Produktentwicklung. Versucht Work-Systems und Social-Systems nachhaltig miteinander zu verbinden damit wertvolle Arbeitswelten entstehen.

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