Was ist „Soziales Kapital“ in einem Team?

Seit März 2020 haben sich sehr viele Rahmenbedingungen in der Arbeitswelt verändert. Teams wurden auseinander gerissen, die Menschen arbeiten aus dem Homeoffice. Wenn es die Technik überhaupt erlaubt. In fast allen Medien und Communities wurde nach Tools und Methoden gesucht um wieder zusammen arbeiten zu können. Dieses Problem wurde von den meisten Teams und den Unternehmen irgendwie gelöst.

Ok, die Menschen können wieder zusammen reden, sehen sich in virtuellen Kaffees und besuchen Meetings und Trainings online. Alles wieder gut?

Im April hörten wir plötzlich andere Fragen. Wir möchten ein Projekt starten. Wie kommt das neue Team zusammen? Ich kriege einen neuen Mitarbeiter. Wie integriere ich den in mein Team? Wir haben Leute im Online Meeting die andere nicht zu Wort kommen lassen. Was kann ich da tun?

Ganz nach dem Agilen Manifesto sind die Interessen wieder dahin gerückt wo sie sein sollten. Von Prozessen und Tools sind wieder Menschen und Interaktionen wichtig geworden. Das Manifest stimmt also auch in den schwierigen Zeiten. Bin ich froh! 🙂

Aber… wie soll ich als Scrum Master oder Coach nun Teamdynamik beurteilen, unterstützen oder meine Fähigkeiten im dem Teambuilding einsetzen? Sehr viel was uns als soziales Wesen definiert ist online gar nicht möglich. Die Kommunikation ist eingeschränkt. In Zeit und Qualität. Wir können nicht zusammen Neues kreieren, zusammen um die gute Lösung streiten oder mal einen verrückten Plan aushecken.

Wie steht es nun mit der Teamentwicklung und der Teamdynamik? Braucht es das tatsächlich? War das eine sozialromatische Spinnerei vor der Kriese? Die Leute sind doch am arbeiten. Diese Frage hat zu einem sehr inspirierenden Gespräch mit Olaf Geramanis geführt.

Teams welche eine gute Teamentwicklung hatten und viel investiert haben in Selbstorganisation sind sehr schnell aus der Schreckensstarre erwacht.Sie haben zeitnah Lösungen entwickelt um die Probleme zu meistern. Unternehmen mit einer guten agilem Maturität sind den Umständen entsprechend relative rasch in ein neues Arbeitsmodell gerutscht und konnten weiter produzieren. Feedback der Teams war dahingehend das es nicht super ist, aber wir kommen vorwärts und lösen zusammen unsere Aufgaben.

Fast alle Scrum Master haben aber das selbe Thema; Wie entwickle ich das Team nun weiter? Wie integriere ich neue Mitarbeitende? Wie bringe ich ein neues Team zusammen?

Neue Teams mit den aktuellen Arbeitsmitteln und den verteilten Arbeitsplätzen aufzubauen ist sehr schwer bis unmöglich. Die ganzen Teambildungs Ereignisse und die notwendigen Aushandlungen von Teamregeln und das aufbauen von soliden, tragfähigen Vertrauens-Strukturen ist in diesem Umfeld kaum, oder zumindest sehr aufwändig möglich.

Das führt zu unser Hypothese das es sowas wie „Soziales Kapital“ geben muss. Teams und Unternehmen welche in das Soziale Kapital investiert haben sind nun in der Lage von dem „Ersparten“ zu zehren. Die Teams können eine Zeit lang die Zusammenarbeit aufrecht erhalten und sind trotz der Umstände Leistungsfähig. Es gelingt komplexe Aufgaben zu lösen da alle sozialen Strukturen im Team schon da sind. Dazu kommt auch das die Meisten Arbeits-Systeme mit Arbeit überladen sind. Wir können endlich das Backlog abbarbeiten.

Spannend ist es nun zu beobachten ob diese Investitionen lange halten. Wenn wir davon ausgehen das jedes Neue Teammember wieder einen Teamdynamischen Prozess auslöst… naja dann können wir vom ersparten Sozielan Kapital leben bis sich das Team ändert.

Diejenigen Firmen welche nicht in Teams und die Selbstorganisation (Being Agile) investiert haben konnten zwar einen schnelleren Produktions-Zyklus realisieren. Dabei sind vermutlich aber Technische Exellenz und das Soziale Kapital zu kurz gekommen. Diese „Schulden“ wiegen in der aktuellen Zeit schwer.

Product Owner, RTE’s , und Produktverantwortliche sollten sich in Zukunft gut überlegen in was sie investieren wollen. Investieren wir nur in Epics und Features, egal wie die technische Qualität aussieht? Diese Strategie führt zu erheblichen technischen Schulden. Irgendwann, spätestens im Betrieb werden wir da bezahlen müssen.

Neu sollten wir uns auch überlegen wie viel wir in das „Soziale Kapital“ der Teams investieren wollen. Wenn wir das zu wenig berücksichtigen wird das Team nicht die nötigen Strukturen aufbauen um auch in schweren Situationen angemessen zu reagieren und resilient gegen äussere Störungen zu werden. Wir bauen „soziale Schulden“ auf.

Wenn wir als Investoren Glück haben wird das Team nie in eine knifflige Situation kommen und wir haben Geld gespart. Aber was wenn das Team mal unter Druck kommt? Und das braucht keine Pandemie damit ein Team zeigt das es unter Druck das Preisschild der Sozialen Schuld schreibt.

Veröffentlicht von

Ruedi

Rudolf "Ruedi" Gysi Liebt Produkte welche Kunden begeistern und Forscher zum Thema Iterative Produktentwicklung. Versucht Work-Systems und Social-Systems nachhaltig miteinander zu verbinden damit wertvolle Arbeitswelten entstehen.

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